Produktinformation
- Veröffentlicht am: 1825
- Einband: Gebundene Ausgabe
Kundenrezensionen
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10 von 10 Kunden fanden die folgende Rezension hilfreich.
Keine Angst vor Goethe
Von Pj
Eduard und Charlotte, ein Ehepaar welches sich im zweiten Ehe-Anlauf fand, lebt zufrieden auf seinem Landgut und genießt die Zweisamkeit. Da kündigt sich unerwartet Besuch an - ein Freund Eduardens, der Hauptmann, kommt auf längere Zeit zu Besuch, ebenso wird Ottilie, die Nichte Charlottes, ins Haus aufgenommen. Eduard verliebt sich blindlings in die stille Ottilie, Charlotte und der Hautpmann finden sich ebenso in einer deutlich reiferen Liebe zueinander. Im Grunde genommen sind sich alle einig und könnten in den neuen Verbindung weiterleben, würde da nicht ein Unglück geschehen, welches Ottilie die unmoralische Seite der ganzen Situation dramatisch klar macht. Sie entzieht sich, schwört Abstinenz - und stirbt letzendlich."Die Wahlverwandtschaften" ist als Analogie aus der Chemie genommen, welche ziemlich am Anfang erläutert wird. Die Theorie sagt aus, daß zwei chemische Elemente, welche sich zueinander gezogen fühlen, keine Wahl haben als sich zu verbinden und daß das Hinzufügen eines Elements die friedliche Ruhe zweier anderer Elemente komplett zerstören kann.Das Buch ist unfaßbar modern, da Goethe sich keinerlei Moralvorstellungen unterwirft. Eduard und Ottilie erleben vielleicht das, was so manch treuer Ehemann und liebender Vater beim Erscheinen des jungen Au-Pair Mädchen erleben mag - ob er es nun will oder nicht. Das heiterste Pahr sind ein Graf und ein Gräfin, welche - beide geschieden - munter und vergnügt ihre freie Beziehung erleben. (Diese stellen auch die interessante These auf, daß Ehen nur auf sieben Jahre geschlossen werden sollten. Wer sonst nichts aus dem Buch liest, sollte sich diese Passage durchlesen, welche auch munter von Frau Pauli in ihrem Wahlprogramm geklaut wurde.) Der Hauptmann und Charlotte sind die reifsten Personen und scheinen letztendlich bereit, sich aus dem ganzen Chaos auszuklinken um gemeinsam eine ruhigere Liebe zu erleben. Ausgerechnet Mittler, der immer für das moralisch korrekte sorgen möchte, tritt mit seinen Ausführungen immer wieder daneben. Von daher - absolut lesenswert..Schwierig ist allerdings der Sprachstil. Ottilie ist schon sehr betulich, Eduard sehr naiv und leidenschaftlich und Charlotte gar so vernünftig. Beim Lesen (auch anderer Bücher von Goethe) bekommt man immer wieder den Eindruck, daß der gute Herr so gar keinen Sinn für Humor hatte und daher seine Figuren auch immer nur in bitterem Ernst oder würdiger Erhabenheit erleben läßt. (Daher auch die vier Sterne.) Wenn man sich aber darauf einläßt, dann bietet das Buch eine selbstvertändlich hochintelligente und auch schöne Lektüre.
4 von 4 Kunden fanden die folgende Rezension hilfreich.
Irritationen, wortgewaltig
Von Serafinas Tanz
"Eduard - so nennen wir einen reichen Baron im besten Mannesalter - Eduard hatte in seiner Baumschule die schönsten Stunden eines Aprilnachmittags zugebracht..." Allein dieser einführende erste Satz. Der noch nicht ganz zu Ende ist - zu Goethes Zeiten war es noch erlaubt, weit auszuholen und Genuss auszudehnen!Wir nennen ihn also Eduard. Wir. Die Leser. Goethe fragt uns nicht - er bestimmt: wir nennen ihn so. Wir nennen ihn Eduard - heißt: er heißt anders? Oder gibt es Eduard gar nicht, nicht mal unter anderem Namen? Ist Eduard nur ein Sinnbild? Wie seine Frau Charlotte. Zu ihr gesellt sich Otto, zu Eduard Ottilie. Namensverwandtschaften - ausgerechnet diese vier Menschen, von denen gleich drei das "ott" in sich tragen, unter einem Dach. Erst waren da nur Eduard und Charlotte, das Ehepaar. Sie haben sich auseinandergelebt. Langeweile macht sich breit. Sie sind sich räumlich nah und doch persönlich fern. Und dann kommen die zunächst räumlich Fernen und sind nah. Körperlich. Geistig. Und noch dazu erklärt Goethe: Wir können uns auch - geistig -nahe sein, wenn wir uns räumlich fern sind!In diesem Buch lernte ich vor vielen Jahren, dass ein Kind mehrere Elternteile haben kann - auf eine wie ich fand zugleich unheimliche wie doch irgendwie logische Weise, dass es dem Menschen ähnelt, äußerlich, an den einer der körperlich Liebenden zum Zeitpunkt der Befruchtung dachte. Anziehung. Geist wird Körper. Geist dringt so sehr in die körperliche Sphäre - nicht nur von außen nach innen, sondern auch von innen nach außen -, dass sich die wahren Gedanken nicht (mehr) verheimlichen lassen. Eigentlich. Und doch verheimlicht werden. Gespenstisch? Nein, so ist es: spektakulär.Wie Goethe diese Geschichte aufbaut, weiterentwickelt, webt. Wie er die Menschen und ihre Beziehungen zueinander setzt. Wie er variiert und spielt. Virtuos verschiebt er die Verhältnisse. Verschieben sie sich selbst. So ist das mit der Liebe, die hinfällt, wohin sie möchte: sie kann sich teilen. Wie die Menschen damit umgehen, ist auch abhängig davon, in welcher Situation sich jeder Einzelne befindet.Eine grandiose Geschichte, erzählt von DEM Literaten überhaupt. Diese Sprache ist eine Wohltat. Hier konnte jemand noch wirklich erzählen. Er setzt sich zu uns - nein, er ist schon da, wir gesellen uns zu ihm, es geht los: "Eduard - so nennen wir einen reichen Baron..." Goethe, der alte Meister, nimmt uns bei der Hand und zeigt uns diese Welt eines reichen Barons. Die Welt der Reichen überhaupt, die wir bisher möglicherweise noch nicht kannten. Zudem sind wir schon in eine andere Zeit versetzt, wir bewegen uns - ganz selbstverständlich, wir merken es schnell gar nicht mehr - in der Vergangenheit. Weil Goethe die Vergangenheits-Form wählt und weil, seit er diese Wahl traf, auch schon einige Jahre ins Land gegangen sind.Es war ein schöner Aprilnachmittag. Wir haben sofort Bilder im Kopf. Jeder Satz erzeugt eigene Bilder. Wie sieht ein schöner Aprilnachmittag aus? Sonne, nehm ich an. Es war sonnig. Eduard verbrachte die Stunden in einer - nein, nicht irgendeine, SEINE! - in seiner Baumschule.Hier wird die Seele umhüllt und umspült von großartigen Worten und Stimmungen. Die Geschichte ist ungewöhnlich. Die Bezüge zu naturwissenschaftlichen Erkenntnissen sind spannend. Die Symbolik trieft selbst aus jedem einzelnen Namen.Ich habe dieses Buch - wie "Die unerträgliche Leichtigkeit des Seins" von Milan Kundera (auch eines meiner Lieblingswerke) - nur einmal gelesen, aber immer wieder neu gekauft. Mit fast jeder neuen Ausgabe, die ich im Buchladen sah, erhielt ich wieder diesen Impuls: KAUFEN! Denn dieses Buch empfand ich als einfach wunderbar, und mancher Umschlag scheint besser zu passen als der andere - aber irgendwie passen sie alle. Zusammen. Es passt für mich zum Titel des Buches, dass sich mehrere inhatlich gleiche Werke zueinander gesellen, da sie ja optisch alle unterschiedlich sind. Die Vielfalt macht's.Dieses Buch habe ich mir genussvoll einverleibt wie eine Praline, deren besonderen, erstaunlichen Geschmack ich bis heute auf der Zunge trage.
12 von 15 Kunden fanden die folgende Rezension hilfreich.
Die großen Zusammenhänge zwischen Mensch, Natur und Zeit
Von Ein Kunde
Goethes Werk „Die Wahlverwandtschaften" zu beurteilen, bedeutet gleichzeitig, hinter den groben Handlungsablauf einer gescheiterten Ehe durch das Hinzutreffen zweier Personen zu blicken. Denn hier handelt es sich um den Beweis, daß im menschlichen Leben die gleichen Gesetze herrschen wie in der Natur. So wird der Mensch geleitet von magischen Anziehungskräften, möge man sie Schicksal oder Fügung nennen, die unbeherrschbar bleiben und denen durch Selbstüberwindung, Entsagung oder Ergebenheit begegnet werden kann. Es geht darum, mit der Natur zu leben, nicht gegen sie zu handeln, aber sich auch nicht von ihr einnehmen zu lassen. Sinnbildlich müssen Brücken gebaut werden, um zu einem Einklang zu gelangen; einem Einklang aus Feudalismus und Aufklärung, aus dem christlichen Glauben und der Mächtigkeit der Natur, aus der praktischen Vernunft und den leidenschaftlichen Gefühlen. Auf der Grundlage chemisch-biologischer Überlegungen schafft Goethe hier ein detailliertes Bild des Landadels zur Zeit der Aufklärung. Gesucht wird kein Schuldiger, keine Patentlösung für die perfekte Ehe, gesucht wird die Harmonie zwischen Natürlichem und Übernatürlichem, zwischen Abhängigkeit und Selbstreflexion, zwischen Verworrenheit und Erlösung. Diese vielfältige Thematik, gestützt auf die unübertreffliche Wortwahl des Autors, verhilft dem Leser zu dem außergewöhnlichen Einblick in die großen, unerkannten Zusammenhänge der Welt.
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