Produktinformation
- Amazon-Verkaufsrang: #887478 in Bücher
- Veröffentlicht am: 2008-03-11
- Einband: Gebundene Ausgabe
- 1052 Seiten
Kundenrezensionen
Hilfreichste Kundenrezensionen
42 von 48 Kunden fanden die folgende Rezension hilfreich.
Der historische Mohammed
Von Lucullus
Tilman Nagels Mohammed-Biographie gehört zu den seltenen Büchern, die ihr Wissensgebiet auf eine neue Grundlage stellen. Zwar sind in den letzten Jahrzehnten zahlreiche Arbeiten über den islamischen Propheten erschienen, doch gelang es keiner von ihnen wesentlich über die mehr als hundert Jahre alte Darstellung Frants Buhls (Das Leben Muhammeds, Darmstadt 1961, dänische Erstausgabe 1903) hinauszugehen. Der Grund dafür liegt in der problematischen Quellenlage.Neben dem Koran existieren zwei weitere Formen literarischer Überlieferung, denen Auskünfte über Mohammed zu entnehmen sind: die Hadith-Literatur, die nach sachlichen Gesichtpunkten geordnete, inhaltlich weitgehend den religiösen Vorstellungen späterer Zeiten angepasste, wenn nicht geradewegs erfundene, Erzählungen über einzelne Aussprüche und Taten des Propheten enthält, sowie chronologisch angelegte Geschichtswerke, wie die "Sira", die berühmte Lebensbeschreibung Ibn Ishaqs.Das Grundproblem der Mohammed-Forschung besteht darin, dass die Angaben des Hadiths und der Geschichtswerke vielfach dem Koran widersprechen und unzuverlässig sind, da es ihren Autoren mehr um theologische Korrektheit als um historische Genauigkeit ging.Manche Islamwissenschaftler sind durch dieses Dilemma veranlasst worden, die Existenz Mohammeds ganz zu bestreiten. Der Islam sei, so lautet die "revisionistische" Deutung, ursprünglich eine jüdische (Michael Cook, Patricia Crone) oder christliche (Günter Lüling, K.-H. Ohlig) Häresie gewesen, die sich im Laufe der Jahrhunderte zu einer selbständigen Religion entwickelt habe, für die dann nachträglich eine Gründerfigur erfunden wurde.Tilman Nagel hält diese extremen Schlussfolgerungen für unglaubwürdig. Die genaue Analyse zeige nämlich, dass die islamischen Geschichtswerke erst sekundär und nur teilweise theologisch überarbeitet wurden. Man könne durchaus hoffen, ihren historischen Kern von späteren Zutaten zu trennen, sofern man über eine konkrete Vorstellung der politischen, gesellschaftlichen und religiösen Zustände im Arabien des 7. Jahrhunderts verfüge.In dieser Hinsicht habe die jüngere Forschung bedeutende Beiträge geleistet. Setze man die vorliegenden Mosaiksteine zusammen, ergebe sich das Bild einer weitverbreiteten, von ihrem biblischen Ursprung gelösten Abraham-Verehrung, die durch Qusai, einen Vorfahren Mohammeds, nach Mekka getragen wurde. Parallel dazu sei in Arabien das "Hanifentum" entstanden, eine monotheistische Strömung, die sowohl zum Christentum wie zum Judentum auf Distanz ging, weil beide Religionen rituelle Tieropfer ablehnten. Man dürfe also die Hypothese wagen, dass Mohammeds Botschaft einer starken "Zeitströmung entgegenkam, ohne die er nicht über den Rang eines kleinen Sektenführers hätte hinauswachsen können" (S. 181).Um die Gunst der Stunde zu nutzen, habe Mohammed allerdings erst die Verwirrung überwinden müssen, in die ihn seine ersten Eingebungen stürzten. "Das Empfangen der Offenbarungen schildert das Hadith mit Symptomen der Fallsucht, ... Aus einer der glättenden Bearbeitung des Werkes Ibn Ishaqs zum Opfer gefallenen Überlieferung erfährt man, dass Hadiga, Mohammeds erste Ehefrau, ihn eine Zeitlang nach jedem Anfall 'besprechen' ließ, bis er selber sich dies verbat. Der Gedanke, Mohammed könnte selber festgelegt haben, ab wann er in Allah die Quelle seines Leiden erkennen wollte, verträgt sich ganz und gar nicht mit dem Wahrheitsanspruch, ... Mohammed habe die göttliche Botschaft nicht nur zuverlässig, sondern auch vollständig ausgerichtet" (S. 848).Die anfängliche Befürchtung des Propheten, er werde von bösen Geistern heimgesucht, sei zunächst von dem Gedanken verdrängt worden, göttliche Offenbarungen zu empfangen und habe schließlich der Überzeugung Platz gemacht, er müsse ein "heiliges Buch" erstellen, wie es andere Religionen auch besäßen. "Nicht in einem Zuge wurde aus der 'Lesung' das 'Buch', und nicht alles, was heute an frühen Eingebungen im Koran versammelt ist, war ein Teil der 'Lesung'" (S. 141).Auch über den Inhalt seiner Botschaft sei Mohammed sich nicht von Anfang an im Klaren gewesen. Die ältesten Suren seien hauptsächlich durch das Ideal der rituellen Reinheit geprägt. Vom kompromisslosen Eingottglauben fehle dagegen "jede Spur" (S. 121). Erst unter dem Einfluss des Hanifentums sei der Prophet zum strengen Monotheisten geworden.Den entscheidenden Vorteil Mohammeds im Wettbewerb mit den zahlreichen rivalisierenden Propheten der Zeit sieht Nagel in der sprachlichen Gestaltung des Korans. "Mohammed hatte die bis in seine Zeit vorwiegend für die Wahrsagerei und das Herrscherlob genutzte Reimprosa für seine Zwecke entdeckt; sie aufgreifend und weiterentwickelnd vermochte er das in der didaktischen Dichtung recht dröge wirkende hochreligiöse Gedankengut in einer die Gefühle der Zuhörer aufwühlenden Weise zu verlebendigen, und diese Leistung Mohammeds darf man ohne zu zögern als den Schlüssel zu seinem Erfolg betrachten" (S. 851).Wenn der islamische Religionsgründer dennoch auf Widerstand stieß, so habe dies vor allem daran gelegen, dass er schon in Mekka seine religiöse Botschaft mit politischen Ambitionen verknüpfte, in deren Zentrum die Interessen seiner eigenen Sippe standen. So habe Mohammeds öffentliches Wirken "von Anfang an eine machtpolitische Dimension" besessen und die "seit langem schwelenden Konflikte unter den quraischitischen Sippen" verschärft (S. 852).Hätte Mohammed sich damit begnügt, den Koran zu verkünden, wäre ein großer Teil des Unmuts der Mekkaner ausgeblieben. Was sie vor allem gegen ihn aufbrachte, war sein Versuch, die althergebrachte Kultpraxis zu reformieren, worin sie einen Führungsanspruch für sich und seine Sippe erblickten.Hätte Mohammed nur eine islamische Kultpraxis stiften wollen, hätte er die Vertreibung nach Medina akzeptieren und dort seine eigene Gemeinde aufbauen können. Ein das arabische Stammesdenken überwindender Menschheitsprophet würde keinen Grund gesehen haben, seine Heimatstadt mit Krieg zu überziehen und seinen Anhängern den "Dschihad", der bereits im Koran militärische Anstrengung bedeutet, höher anzurechnen als jede andere Leistung.Diese kontrafaktischen Überlegungen demonstrieren nicht nur die politische Ausrichtung selbst der ältesten Form des Islams, sondern auch den folgenreichen Widerspruch zwischen Mohammeds universalistischer Botschaft und der klanorientierten Politik, die er tatsächlich betrieb. "Als den Stifter einer spezifisch religiösen, 'islamischen' Gemeinschaft kann man ihn gerade nicht charakterisieren, und seine Geschichte ... ist die Geschichte des Vermeidens der gesellschaftlichen Folgen, die seine Botschaft zeitigte, ..." (S. 206).In der islamischen Welt sei diese Schwäche allerdings bald in Vergessenheit geraten. Die Unzufriedenheit mit den Missständen der Gegenwart habe die nachgeborenen Muslime veranlasst, Mohammed bereits wenige Jahrzehnte nach seinem Tode zu einer übermenschlichen Lichtgestalt zu verklären.Durch einen neuen methodischen Ansatz und die Benutzung zahlreicher unübersetzter Quellen ist es Tilman Nagel gelungen, diesen Prozess umzukehren und hinter der Mohammed-Legende wieder die Züge des historischen Propheten sichtbar zu machen. Leider werden der Preis seines Buches, dessen Umfang (1052 Seiten) sowie Nagels umständlicher, häufig sprunghafter und allzu trockener Stil den Leserkreis stark einschränken.
0 von 0 Kunden fanden die folgende Rezension hilfreich.
Exquisit
Von L. Demir
Tillman Nagel ist bekannt für seine Gründlichkeit, die manchmal an die Schmerzgrenze reicht. Das macht das Werk zu einem zuverlässigen Nachschlagwerk.
1 von 2 Kunden fanden die folgende Rezension hilfreich.
Jeden Cent wert!
Von FJL
Trotz des vermeintlich hohen Preises und gerade angesichts der Schwemme an Islam-Literatur von teils eher fraglicher Qualität ist dieses Buch für jeden Interessierten - Laien wie Fachleute - den Kauf unbedingt wert. Nicht nur daß ein hervorragender kritischer Sachkenner sich des Themas annimmt, durch die Fülle an herangezogenem Material versteht T. Nagel zu überzeugen, statt zu überreden oder bloß - wie so viele andere - die eigene Meinung kundzutun. Auch als Nachschlagewerk oder kommentierte Quellensammlung ist es wunderbar geeignet.Zudem sollte der Umfang nicht abschrecken, im Gegenteil. Dank des durchdachten Aufbaus ist das Buch auch stück- bzw. kapitelweise gut zu lesen und bleibt verständlich - auch für Laien.Besser kann man die Thematik nicht abhandeln!
This Page is a participant in the Amazon Services LLC Associates Program, an affiliate advertising program designed to provide a means for sites to earn advertising fees by advertising and linking to Amazon.de
CERTAIN CONTENT THAT APPEARS ON THIS SITE COMES FROM AMAZON SERVICES LLC. THIS CONTENT IS PROVIDED "AS IS" AND IS SUBJECT TO CHANGE OR REMOVAL AT ANY TIME.
0 comments:
Post a Comment