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- Amazon-Verkaufsrang: #1461258 in Bücher
- Veröffentlicht am: 1999
- Einband: Gebundene Ausgabe
- 787 Seiten
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31 von 33 Kunden fanden die folgende Rezension hilfreich.
"Gelt ist auff erden der irdische got"
Von M. Thomas
"Zum ,Klassiker' hat es Simmel nicht gebracht - und dazu war er auch nach seinem intellektuellen Zuschnitt nicht prädestiniert", schreibt Jürgen Habermas. Beim philosophischen Publikum jedoch genießt Simmel bis heute Anerkennung, das zeigt die hohe Auflage seines Hauptwerkes ,Die Philosophie des Geldes'. Zu Recht, denn seine tiefgründigen Überlegungen rund um das liebe Geld haben nichts an Aktualität eingebüßt.Das Werk selbst gliedert sich in zwei Teile: der analytische Teil, welcher sich mit Wesen und Sinn des Geldes auseinandersetzt und der synthetische Teil, welcher die Auswirkungen des Geldes auf seinen inneren Wert prüft.Wesen und Sinn des GeldesDas ganze Leben des Menschen wird von Wertgefühlen und Wertabwägungen geprägt. Die Trennung des ICHs in Subjekt und Objekt führt dazu, dass das ICH-Subjekt Dinge begehrt und bewertet, während das ICH-Objekt durch andere bewertet wird. Der Wert eines Gutes hängt von seiner Seltenheit ab. Die Rangordnung, die der Mensch den Gütern gibt, weicht von der natürlichen Ordnung ab: "Unzählige Male vernichtet die Natur das, was vom Gesichtspunkt seines Wertes aus eine längste Dauer fordern könnte, und konserviert das Wertloseste, ja dasjenige, was dem Wertvollen den Existenzraum benimmt."Das Spezifische der Wirtschaft besteht laut Simmel nicht so sehr in der Tatsache, "dass sie ,Werte' austauscht, sondern dass sie Werte ,austauscht' ... Der Tausch setzt eine objektive Messung subjektiver Wertschätzungen". Erst durch den Tausch wird aus einem Wert ein wirtschaftlicher Wert. Andererseits besitzen für uns nur solche Dinge einen Wert, die Geld kosten. Als Vorgänger des Sozialtausches nimmt Simmel das Geschenk oder den Raub an. Erst die Erfindung des Geldes erlaubt den Parteien einen beiderseits befriedigenden Handel ohne Streit, ja in vielen Fällen fühlen sich sogar beide Partner als Gewinner.Wert und Bewertung setzten aber voraus, dass ein Wertmaßstab vorhanden ist. Diese Rolle übernimmt das Geld. Doch Geld ist nicht nur ein Maß für die Ordnung der Dinge, es ist zugleich auch Tauschmittel und Verkörperung der Distanz zwischen Subjekt und Objekt: "Nur das Geld ... ist nichts als die reine Form der Tauschbarkeit, es verkörpert das Element oder die Funktion an den Dingen, durch die sie wirtschaftlich sind ...".Das praktische Handeln des Menschen wird entweder durch die Ursache (kausal) oder durch den Zweck bestimmt. Kausale Vorgänge werden durch die bloße Tätigkeit befriedigt, während bei teleologischen Handlungen der Erfolg entscheidend ist. Dem Geld kommt nun die Bedeutung zu, Mittel zu sein und damit Werkzeug für einen Endzweck: "Das Geld ist uns wertvoll, weil es das Mittel zur Erlangung von Werten ist; aber ebenso gut könnte man doch sagen: obgleich es nur das Mittel dazu ist." Interessanterweise verlängert der Mensch aber den Genuss bzw. die Vorfreude auf das Vergnügen, das ein Objekt ihm bereitet, vom Gegenstand selbst auf das Mittel - das Geld: "Indem sein Wert als ,Mittel' steigt, steigt sein ,Wert' als Mittel, und zwar so hoch, dass es als Wert schlechthin gilt und das Zweckbewusstsein an ihm definitiv haltmacht."Die Auswirkungen des GeldesBeginnen wir mit den positiven Auswirkungen des Geldes. Geld ist aus der modernen Welt nicht mehr wegzudenken. Simmel zieht den Vergleich zum Organismus: Gleich Gelenken macht es die Elemente verschiebbar und ernährt ähnlich dem Blute alle Glieder.Simmel gewinnt der Trennung von Arbeiter und Werk, von Werk und Kunde, die erst durch das Geld ermöglicht wurde, positive und negative Aspekte ab. Geld und Arbeitsteilung führen zu mehr Freizeit, die der Einzelne sinnvoll investieren oder aber in materieller Sucht vergeuden kann. Geld schafft neue Beziehungen und Verbindungen und ermöglicht so dem Individuum neue Entfaltungsmöglichkeiten und der Gesellschaft und der Wirtschaft zusätzliche Entwicklungsspielräume (z.B. durch neuer Rechtsformen der Gesellschaften).Die Tatsache, dass derjenige, welche Geld besitzt, Vergünstigungen genießt, bessere Stellungen bekleidet und nicht auf den Preis einer Ware achten muss, bezeichnet Simmel als "Superadditum des Reichtums". Andererseits nivelliert Geld. Es zerstört die Vornehmheit, macht alles käuflich und zieht das Hohe mehr herunter, als es das Tiefe erhöht.In Simmels Bilanz wiegen jedoch die negativen Aspekte schwer."Die Steigerung der intellektuellen, abstrahierenden Fähigkeiten charakterisiert die Zeit, in der das Geld immer mehr zum reinen Symbol und gegen seinen Eigenwert gleichgültig wird", schreibt Simmel. Die Lebensqualität wird zugunsten der Quantität hergegeben. Die Worte: "Indem man alles dies für Geld aufgibt, hat man sein Sein gegen ein Haben ausgetauscht", könnten auch von Erich Fromm stammen. Die Konsequenz, dass mit Geld die Freiheit von etwas, nicht jedoch die Freiheit zu etwas erkauft werden kann, wurde von ebenfalls Fromm in seinem Werk ,Die Furcht vor der Freiheit' beschrieben.Intellekt und Geld machen Charakterlosigkeit und "sind die Pflanzstätte des wirtschaftlichen Individualismus und fördern Egoismus"; Gefühle und Waren sind in den modernen Zeiten unterlegen - Geld macht herzlos. Der Mensch der Neuzeit wird zum Sklaven des Geldes, er wird in Geld und am Gelde gemessen. Kants Forderung, dass der Mensch nur Endzweck niemals aber Mittel sein darf, ist außer Kraft gesetzt - die Mittel dominieren über die Zwecke!"Wie wenige würden irgendeine Zeitlang dauern, wenn der Glaube nicht ebenso stark und oft stärker wäre, als verstandesmäßige Beweise und sogar der Augenschein! - so würde ohne ihn der Geldverkehr zusammenbrechen." Wenn aber die Religion ihre Kraft verliert, breitet sich die Geldgier aus. Hans Sachs fasst das in den Worten: "Gelt ist auff erden der irdische got".Fazit: Ein sehr umfangreiches Werk, das es zu entdecken lohnt. Simmel beschreibt die Faszination, die vom Gelde ausgeht, warnt aber auch eindringlich vor seinen Gefahren. Der Mensch bezahl die Annehmlichkeiten Geldes mit innerer Unruhe und äußerer Hast. Goethes Wort trifft den Kern: "Am Golde hängt, nach Golde drängt doch alles. Ach wir Armen!"
26 von 28 Kunden fanden die folgende Rezension hilfreich.
Das Geld und der moderne Mensch
Von Rolf Dobelli
Im Vorwort zu seiner Philosophie des Geldes betont Georg Simmel, dass es sich bei dem Werk nicht um eine ökonomische Studie handelt. Im Zentrum der umfangreichen Untersuchung steht vielmehr die Frage, wie sich das Geld auf den Lebensstil der Menschen und ihre Beziehungen auswirkt. Die Geldwirtschaft hat laut Simmel zwar zur Befreiung des Individuums geführt. Zugleich füllt das Geld jedoch eine Leere aus, die durch den Verlust persönlicher und religiöser Bindungen entstanden ist. Aus dem einstigen Mittel zum Leben ist selbst ein Lebenszweck geworden, ein moderner Gott, den die Massen anbeten ' und der ihrer Sehnsucht nach Sinn doch niemals gerecht wird. Simmel zeigt sich als nüchterner Beobachter und scharfsinniger Analytiker seiner Zeit ' eine geschlossene, systematische Theorie liefert er jedoch nicht. Ebenso wenig bietet er einen Gegenentwurf zur kapitalistischen Gesellschaftsordnung. Das trug ihm den Vorwurf der 'Geldapologetik' ein. Aus heutiger Sicht besteht der Wert des Buches jedoch gerade in seiner ideologischen Standpunktlosigkeit. Unter dem Eindruck der Finanzkrise gewinnt der Klassiker wieder an Aktualität.
30 von 36 Kunden fanden die folgende Rezension hilfreich.
Zentrales Werk zum Geld
Von Werner, Henry
In Zeiten, in denen die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit Geld auf die normativ-ökonomischen Funktionen des Geldes verengt sind,ist es eine logische Folge, dass die nicht-ökonomischen Faktoren (die Ereignisse im Umfeld der Euro-Einführung dienen als Musterbeispiel) nicht hinreichend verstanden werden können. Ausgerechnet der Blick rund 100 Jahre zurück bringt die benötigte Aufklärung: Simmel ist es wie keinem anderen gelungen, die gesellschaftliche, kulturelle Funktion des Geldes zu umreissen. Ein absolut zentrales Werk, das heute nicht minder aktuell ist als damals.
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